Discussion:
Aussprache von theta
(zu alt für eine Antwort)
Johannes Reichel
2005-08-08 14:59:22 UTC
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Hi!

Wie wird das theta für gewöhnlich im Altgriechischen ausgesprochen? Eher als
englischen th (wie in "thanks") oder als deutsches t? Und worin liegt dann
im letzteren Fall der Unterschied zu tau?

Gruß Johannes
Lukas Pietsch
2005-08-08 16:26:36 UTC
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Post by Johannes Reichel
Wie wird das theta für gewöhnlich im Altgriechischen ausgesprochen? Eher als
englischen th (wie in "thanks") oder als deutsches t? Und worin liegt dann
im letzteren Fall der Unterschied zu tau?
Im klassischen Griechisch wie deutsches (aspiriertes) [t], im
Unterschied dazu tau wie französisches (nicht aspiriertes) [t].

Im nachklassischen Griechisch dann wie englisches th.

Die deutsche Schulaussprache ist in jedem Fall inkonsequent, denn egal
wie man theta spricht, der Zusammenfall mit tau, wie er bei uns üblich
ist, ist in jedem Fall systemwidrig. Außerdem, wenn man schon theta wie
[t] ausspricht, müsste man eigentlich das Entsprechende auch für phi und
chi tun, also Aussprache als (aspiriertes) [p] bzw. [k]. Deshalb finde
ich persönlich auch für den deutschen Hausgebrauch die Aussprache als
Reibelaut th sinnvoll.

Lukas
G. Leo Sahakian
2005-08-09 00:02:29 UTC
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Post by Johannes Reichel
Wie wird das theta für gewöhnlich im Altgriechischen ausgesprochen? Eher als
englischen th (wie in "thanks") oder als deutsches t? Und worin liegt dann
warum "englischen" m. und akk.?
Post by Johannes Reichel
im letzteren Fall der Unterschied zu tau?
Im klassischen Griechisch wie deutsches (aspiriertes) [t], im Unterschied
dazu tau wie französisches (nicht aspiriertes) [t].
ist der unterschied zw. de. und fr. t nur die behauchung? sind beide dental?
en. t ist alveolar, außer in eighth [eitþ] (þ = en. stl. th); also en. t !=
(ungleich) de. t? ist de. t immer behaucht oder je nach stellung mehr oder
weniger oder gar
nicht behaucht?
Im nachklassischen Griechisch dann wie englisches th.
ab wann ist es nachklassisch? und wie kann man datieren, wann thêta hört
auf, sprenglaut zu sein, und wann beginnt es, reibelaut zu sein?
übergangsstadium wahrscheinlich affrikat ähnlich tþ.
danke i. v. für die antworten, soweit möglich.
Die deutsche Schulaussprache ist in jedem Fall inkonsequent, denn egal wie
man theta spricht, der Zusammenfall mit tau, wie er bei uns üblich ist,
ist in jedem Fall systemwidrig. Außerdem, wenn man schon theta wie [t]
ausspricht, müsste man eigentlich das Entsprechende auch für phi und chi
tun, also Aussprache als (aspiriertes) [p] bzw. [k]. Deshalb finde ich
persönlich auch für den deutschen Hausgebrauch die Aussprache als
Reibelaut th sinnvoll.
th unterscheidet sich von ph und ch, was de. betrifft, da der de.
kosonantenbestand kein þ enthält (hat sich zu d entwickelt: thing>ding,
thou~du).
--
G. Leo Sahakian
Be kind to animals; they owe you nothing. Let them live in peace, unless
your life is at risk.
http://www.pour-les-animaux.de/.
Lukas Pietsch
2005-08-09 06:55:36 UTC
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Post by G. Leo Sahakian
Post by Johannes Reichel
Wie wird das theta für gewöhnlich im Altgriechischen ausgesprochen? Eher als
englischen th (wie in "thanks") oder als deutsches t? Und worin liegt dann
warum "englischen" m. und akk.?
Post by Johannes Reichel
im letzteren Fall der Unterschied zu tau?
Im klassischen Griechisch wie deutsches (aspiriertes) [t], im Unterschied
dazu tau wie französisches (nicht aspiriertes) [t].
ist der unterschied zw. de. und fr. t nur die behauchung? sind beide dental?
Ehrlich gesagt, bei dem Unterschied zwischen alveolarem und dentalem [t]
hört bei mir das auditive Unterscheidungsvermögen auf. Ich kann den
Unterschied einfach nicht hören (es sei denn, es ginge um einen deutlich
interdentalen Laut wie im Irischen). - Was mein deutsches [t] betrifft,
das ist alveolar.
Post by G. Leo Sahakian
en. t ist alveolar, außer in eighth [eitþ] (þ = en. stl. th); also en. t !=
(ungleich) de. t? ist de. t immer behaucht oder je nach stellung mehr
oder weniger oder gar
nicht behaucht?
Ziemlich ähnlich wie im Englischen, würde ich sagen: stark behaucht im
Silbenanlaut vor Vokal, weniger oder nicht behaucht in manchen
Konsonantenverbindungen. Würde da aber meinem eigenen phonetischen
Urteil nicht allzusehr trauen.
Post by G. Leo Sahakian
Im nachklassischen Griechisch dann wie englisches th.
ab wann ist es nachklassisch? und wie kann man datieren, wann thêta hört
auf, sprenglaut zu sein, und wann beginnt es, reibelaut zu sein?
übergangsstadium wahrscheinlich affrikat ähnlich tþ.
danke i. v. für die antworten, soweit möglich.
Müsste ich nachschlagen. Das einschlägige und hier öfters mal zitierte
Standardwerk dazu ist Allen's "Vox Graeca".
Post by G. Leo Sahakian
Die deutsche Schulaussprache ist in jedem Fall inkonsequent, denn egal wie
man theta spricht, der Zusammenfall mit tau, wie er bei uns üblich ist,
ist in jedem Fall systemwidrig. Außerdem, wenn man schon theta wie [t]
ausspricht, müsste man eigentlich das Entsprechende auch für phi und chi
tun, also Aussprache als (aspiriertes) [p] bzw. [k]. Deshalb finde ich
persönlich auch für den deutschen Hausgebrauch die Aussprache als
Reibelaut th sinnvoll.
th unterscheidet sich von ph und ch, was de. betrifft, da der de.
kosonantenbestand kein þ enthält (hat sich zu d entwickelt: thing>ding,
thou~du).
Eben, die deutsche Schulaussprache (und auch die lateinische/romanische
Lehnworttradition) biegt das Griechische einfach auf das einheimische
Lautrepertoire zurecht. Kann man natürlich machen - aber dann sollte man
wissen, was man da tut, und sich nicht der Illusion hingeben, die eigene
Aussprache sei historisch korrekter als die anderer (eine Vorstellung,
die einem unter deutschen Griechischkundigen leider ab und zu begegnet).

Lukas
Reinhard Zwirner
2005-08-15 17:19:48 UTC
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Lukas Pietsch schrieb:
...
Post by Lukas Pietsch
Eben, die deutsche Schulaussprache (und auch die lateinische/romanische
Lehnworttradition) biegt das Griechische einfach auf das einheimische
Lautrepertoire zurecht. ...
Ist das nicht allgemein so? Sprechen z. B. Franzosen, Engländer,
Neugriechen etc. tatsächlich das "originale" Altgriechisch? Gibt
es nicht auch in diesen Ländern eine >adaptive< Aussprache?

Fragt sich

Reinhard
Lukas Pietsch
2005-08-16 07:05:43 UTC
Permalink
Post by Reinhard Zwirner
...
Post by Lukas Pietsch
Eben, die deutsche Schulaussprache (und auch die lateinische/romanische
Lehnworttradition) biegt das Griechische einfach auf das einheimische
Lautrepertoire zurecht. ...
Ist das nicht allgemein so? Sprechen z. B. Franzosen, Engländer,
Neugriechen etc. tatsächlich das "originale" Altgriechisch? Gibt
es nicht auch in diesen Ländern eine >adaptive< Aussprache?
Fragt sich
Reinhard
Klar, bestimmt, das scheint bei den alten Sprachen allgemein so zu sein.
Ist ja auch kein Problem, nur sollte man sich dessen eben bewusst sein.
Die diversen englischen Aussprachevarianten des Griechischen sind bei
den Vokalen besonders übel. Aber wenigstens kriegen die das "th" hin. :-)

Lukas
Philipp Waelchli
2005-08-18 11:38:52 UTC
Permalink
Post by Lukas Pietsch
Klar, bestimmt, das scheint bei den alten Sprachen allgemein so zu sein.
Hmja, und wie ist es in den neuen Sprachen? Nehmen wir mal Deutsch:
Wann wurde denn die deutsche Hochlautung genormt? Und von wem?
(Antwort mit 5 Punkten: Siebs zweite Hälfte 19. Jh., "Die deutsche
Hochlautung", sog. "Bühnendeutsch" - charakteristisch darin die eher
schon exaltiert wirkenden "oi", "ai", "au" usw.)
Wer spricht denn heute so, wie das nach der "Doitschen Hochlautunk"
sein sollte? In Sächsän spächt män ämmär nöch sö wä zä Bächs Zäetän
("Grosser Herr und starker Kehnich, liebster Heiland, ach, wie
wehnich ..."), in Belin liegt immer noch ein Jewitter in dea Luft,
und von Schweizern oder Österreichern wollen wir mal gar nicht
sprechen, Südtiroler habe ich früher schon erwähnt.
Aber auch Französisch (ausser in den touristisch nicht erschlossenen
Regionen der Ile-de-France spricht niemand Schulfranzösisch) oder
Englisch (Oxford, Cambridge, King's English, American English,
"Cocny" usw.) sind da nicht viel anders.

Manche Sprachtheoretiker, "Reingrammatiker" oder Schulmeister hätten
zwar gerne die Sprache als in sich geschlossenes, striktes, völlig
durchgearbeitetes und somit "fehlerfreies" Regelwerk, die Realität
ist allerdings ein klein wenig anders.

PhW
Lukas Pietsch
2005-08-24 06:59:15 UTC
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Philipp Waelchli wrote:

[Kontext wiederhergestellt]
Post by Philipp Waelchli
Post by Lukas Pietsch
[Lukas Pietsch:]
Post by Lukas Pietsch
Eben, die deutsche Schulaussprache (und auch die
lateinische/romanische Lehnworttradition) biegt das Griechische
einfach auf das einheimische Lautrepertoire zurecht. Kann man
natürlich machen - aber dann sollte man wissen, was man da tut, und
sich nicht der Illusion hingeben, die eigene Aussprache sei
historisch korrekter als die anderer (eine Vorstellung, die einem
unter deutschen Griechischkundigen leider ab und zu begegnet).
[Reinhard Zwirner:]
Post by Philipp Waelchli
Post by Lukas Pietsch
Ist das nicht allgemein so? Sprechen z. B. Franzosen, Engländer,
Neugriechen etc. tatsächlich das "originale" Altgriechisch? Gibt
es nicht auch in diesen Ländern eine >adaptive< Aussprache?
[Lukas Pietsch:]
Post by Philipp Waelchli
Post by Lukas Pietsch
Klar, bestimmt, das scheint bei den alten Sprachen allgemein so zu sein.
[Philipp Waelchli:]
Post by Philipp Waelchli
Wann wurde denn die deutsche Hochlautung genormt? Und von wem?
Sorry, irgendwie sehe ich nicht ganz die Verbindung zwischen dem einen
Thema (adaptive Aussprache alter Sprachen bei gleichzeitigem Anspruch
auf vermeintliche historische Autenthizität) und dem anderen
(Aussprachevariation in der modernen Muttersprache).
Post by Philipp Waelchli
(Antwort mit 5 Punkten: Siebs zweite Hälfte 19. Jh., "Die deutsche
Hochlautung", sog. "Bühnendeutsch" - charakteristisch darin die eher
schon exaltiert wirkenden "oi", "ai", "au" usw.)
Wer spricht denn heute so, wie das nach der "Doitschen Hochlautunk"
sein sollte? In Sächsän spächt män ämmär nöch sö wä zä Bächs Zäetän
("Grosser Herr und starker Kehnich, liebster Heiland, ach, wie
wehnich ..."), in Belin liegt immer noch ein Jewitter in dea Luft,
und von Schweizern oder Österreichern wollen wir mal gar nicht
sprechen, Südtiroler habe ich früher schon erwähnt.
Aber auch Französisch (ausser in den touristisch nicht erschlossenen
Regionen der Ile-de-France spricht niemand Schulfranzösisch) oder
Englisch (Oxford, Cambridge, King's English, American English,
"Cocny" usw.) sind da nicht viel anders.
Stimmt natürlich alles ... :-)
Post by Philipp Waelchli
Manche Sprachtheoretiker, "Reingrammatiker" oder Schulmeister hätten
zwar gerne die Sprache als in sich geschlossenes, striktes, völlig
durchgearbeitetes und somit "fehlerfreies" Regelwerk, die Realität
ist allerdings ein klein wenig anders.
Gegen wen bedarf es denn hier dieser Polemik?

Gruß,
Lukas

Philipp Waelchli
2005-08-10 07:39:51 UTC
Permalink
Post by Lukas Pietsch
Die deutsche Schulaussprache ist in jedem Fall inkonsequent, denn egal
wie man theta spricht, der Zusammenfall mit tau, wie er bei uns üblich
ist, ist in jedem Fall systemwidrig.
Das ist vielleicht richtig in Gebieten, die stark hochsprachlich geprägt sind. In
unseren epichorischen Dialekten hingegen wird zwischen t und th immer noch
unterschieden, ergo kriegt man das auch in der Schule mit etwas Übung hin. Und wenn
man dann mal einen Südt'iroler t'rat'schen hört, d'ann haut' es d'ie Aspirat'ion
ganz schön rauss ...

PhW
Lukas Pietsch
2005-08-10 07:54:58 UTC
Permalink
Post by Philipp Waelchli
Post by Lukas Pietsch
Die deutsche Schulaussprache ist in jedem Fall inkonsequent, denn egal
wie man theta spricht, der Zusammenfall mit tau, wie er bei uns üblich
ist, ist in jedem Fall systemwidrig.
Das ist vielleicht richtig in Gebieten, die stark hochsprachlich geprägt sind. In
unseren epichorischen Dialekten hingegen wird zwischen t und th immer noch
unterschieden, ergo kriegt man das auch in der Schule mit etwas Übung hin. Und wenn
man dann mal einen Südt'iroler t'rat'schen hört, d'ann haut' es d'ie Aspirat'ion
ganz schön rauss ...
Moment mal, zwei Nachfrage aus Interesse:

1) Habt ihr wirklich einen phonemischen Kontrast zwischen /t/ und /th/
etc.? (Neben /d/ als drittem Element in der Reihe?) Minimalpaare?

2) Ist es wirklich verbreitet, dass Griechischlerner das dann als
Tau-theta-Kontrast ins Griechische übertragen?

Lukas
Philipp Waelchli
2005-08-10 10:07:04 UTC
Permalink
Post by Lukas Pietsch
1) Habt ihr wirklich einen phonemischen Kontrast zwischen /t/ und /th/
etc.? (Neben /d/ als drittem Element in der Reihe?) Minimalpaare?
Normalerweise sind alle t unbehaucht, aber es gibt die Opposition zwischen Wörtern wie
Tod, Tal, Tuch usw. einerseits und Wörtern wie Theater, These, Thema usw. anderseits. Und
natürlich dann die Opposition zur Hochsprache, auch als "Hauch-Sprache, Hauch-Deutsch"
apostrophiert.
Post by Lukas Pietsch
2) Ist es wirklich verbreitet, dass Griechischlerner das dann als
Tau-theta-Kontrast ins Griechische übertragen?
Bei mir schon. Im Prinzip wird es aber überall erklärt und gelehrt, aber vielleicht nicht
immer konsequent durchgesetzt.

PhW
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